Wegweisendes Urteil zur Schiffskatastrophe von 2013: Für den Tod von 268 Schutzsuchenden sind italienische Küstenwache und Marine verantwortlich

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Gerichtshof in Rom zur Schiffskatastrophe vom 11. Oktober 2013: Für den Tod von 268 Schutzsuchenden  sind Italienische Küstenwache und Marine wegen unterlassener Hilfeleistung verantwortlich. Weiterhin gilt: Menschen in Seenot müssen immer vor dem Ertrinken gerettet werden!

Mit gemischten Gefühlen reagieren die drei Menschenrechtsorganisationen PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone auf ein Urteil in Italien zu einem Schiffsunglück im Jahr 2013 vor Lampedusa: Zwar urteilte der Gerichtshof  in Rom, dass sich die italienische Küstenwache und die Marine der  vorsätzlichen Unterlassung der Rettung schuldig gemacht haben  und so für den Tod von 268 Flüchtlingen verantwortlich sind. Doch die beiden Angeklagten, Kapitän Leopoldo Manna und Fregattenkapitän Luca Licciardi, entgingen einer Verurteilung, weil der Fall verjährt ist.

„Notrufe auf See müssen ernstgenommen und Rettungsoperationen unverzüglich eingeleitet werden. Das ist die zentrale Botschaft dieses Prozesses, die sich nicht nur an die italienischen sondern an alle Küstenwachen und Einsatzkräfte im Mittelmeer richtet“,  bewerten PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone das Urteil vom 16. Dezember 2022. Zudem muss nun geprüft werden, ob in einem zivilrechtlichen Verfahren der italienische Staat zu Entschädigungsleistungen für die Opfer verpflichtet werden kann.

„Es hat länger als neun Jahre gedauert, bis in diesem Fall unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge ein Urteil gesprochen wurde. Die angeklagten Verantwortlichen konnten wegen Verjährung nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dies bleibt für die Angehörigen der Opfer eine bittere Erfahrung“, betonen die drei Organisationen weiter.

„Left to die“: Verweigerte Seenotrettung kostet 268 Menschen das Leben

Zum Hintergrund: Acht Tage nach der bekannteren Bootstragödie vor Lampedusa am 3. Oktober 2013 ertranken 268 Flüchtlinge, darunter 60 Kinder, bei einem weiteren Unglück vor der italienischen Insel: Am 11. Oktober 2013 geriet ein Boot mit mehr als 400 syrischen und palästinensischen Bootsflüchtlingen aus Libyen kommend in akute Seenot. Das Boot war vorher von einem libyschen Schnellboot verfolgt und beschossen worden.

Über fünf Stunden hinweg setzten die Menschen auf dem Boot verzweifelte Notrufe über ein Satelliten-Telefon an die Küstenwachen in Italien und Malta ab. Ein nur 17 Seemeilen entferntes italienisches Marineschiff wurde bewusst von der italienischen Seenotrettungs-Einsatzzentrale nicht zum Unfallort beordert.

Alle hätten gerettet werden können, wenn die italienischen Behörden die Seenotrettung sofort eingeleitet hätten, so auch das Ergebnis des italienischen Journalisten Fabrizio Gatti, der mit seinen Recherchen die Ermittlungen und den jahrelangen Prozess in Gang brachte. Im Urteil vom 16. Dezember 2022 wird betont, dass der Schiffbruch hätte verhindert werden können, wenn die Verantwortlichen ihre Pflichten erfüllt und gemäß internationalem Recht gehandelt hätten.

Fünf Stunden lang kam keine Hilfe für die ertrinkenden Menschen 

Sehr ausführlich haben die Richterinnen ihr Urteil auf 87 Seiten begründet und den Verlauf des verhandelten Schiffbruches detailliert nachgezeichnet. Die Präsidentin der Zweiten Strafkammer Anna Maria Pazienza und die Richterinnen Maria Concetta Giannitti und Chiara Bocola sind zu dem Schluss gekommen, dass die italienische Marine und  Küstenwache sich der vorsätzlichen Unterlassung der Rettung schuldig gemacht haben. Ihre Entscheidung, nicht einzugreifen, hat zu der hohen Zahl von toten Frauen, Männern und Kindern geführt.

„Unsere Mandant*innen, die in den fünf Stunden auf See, in denen sie vergeblich auf Rettung warteten, ihre Angehörigen und ihre Kinder ertrinken sahen, haben uns immer wieder gebeten, dafür zu sorgen, dass sich das Geschehene nicht wiederholt. Deshalb haben sie auch die Qualen dieses langen Prozesses auf sich genommen“, so die Rechtsanwält*innen der nebenklagenden Überlebenden nach dem Urteil.

Menschenleben auf See müssen immer gerettet werden

Und weiter: „Wir können heute hoffen, dass dieses Urteil alle an die verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Pflichten erinnert, die denjenigen obliegen, die in der Seenotrettung tätig sind. Das Urteil des Römischen Gerichtshofs betrifft nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft: Menschenleben auf See müssen immer gerettet werden, und kein Befehl kann diese Pflicht außer Kraft setzen.“

Speziell für Italien gilt: Die neue italienische Regierung unter Giorgia Meloni sollte dieses Urteil genau studieren und ihre Verantwortung für die Seenotrettung bedingungslos anerkennen. „Denn aktuell müssen wir erleben, wie der amtierende Innenminister Matteo Piantedosi und Infrastrukturminister Matteo Salvini erneut versuchen, zivile Rettungen mit allen Mitteln zu erschweren und damit vermehrt Todesopfer billigend in Kauf nehmen“, so die drei Organisationen  PRO ASYL, borderline-europe und WatchTheMed/Alarm Phone.

 

Kontakt für Presseanfragen:

PRO ASYL: Karl Kopp, presse@proasyl.de
borderline-europe: Judith Gleitze,  italia@borderline-europe.de
WatchTheMed Alarm Phone: Hagen Kopp, media@alarmphone.org

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⁨🆘 from 5 people on #Rhodos, #Greece!

They report that they have been stuck on the island for 2 days, so far no help arrived. 1 person among them is in a severe medical emergency situation & needs medical assistance NOW!
@HellenicPolice & @HellenicCoastGuard are informed.⁩⁩

⚫ Shipwreck off #Libya

On 15 November, Alarm Phone was alerted to 30 people in severe distress when fleeing from Libya. We lost contact to the boat & had to learn later that they shipwrecked. According to the so-called Libyan coastguard, 17 people survived while 13 are missing.

⚫️ Another shipwreck off #Tunisia: A survivor told us they departed #Sfax on the evening of 8.11. with 51 other people in an 8-meter-long boat. After struggling with engine problems, the boat capsized on Friday noon due to harsh weather conditions. 1/3

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